Bäuertgemeinde Adlemsried

Geschichtliches

Startseite

Eine bronzezeitliche Siedlung im Simmental.pdf

Burg Eichstalden.pdf

Siedlungsgeschichte R.T.pdf

Ida Moser-Müller, Vortrag.pdf

Der grosse Walopberg.pdf

Geschichtliches Mosaik

Archäologische Befunde

Spuren aus prähistorischen Zeiten und dem Mittelalter sind auf dem Gebiet der Bäuert eher selten. Das Wenige, das man hier anführen kann, geht fast ausschliesslich auf eigene Bemühungen zurück, weil der Archäologische Dienst anderweitig beschäftigt ist. Als Folge der hierzulande eingeschränkten Präsenz der Archäologen sind die Einheimischen kaum für diese Belange sensibilisiert, und so werden allfällige Spuren bei Erdarbeiten leicht übersehen. Lange Zeit war nur die mittelalterliche Burgstelle Eichstalden bekannt. Inzwischen gibt es noch weitere Hinweise zu früheren Siedlungen und Tätigkeiten.

Von besonderem Interesse scheint die Chuttlere zu sein: Um und auf diesem bewaldeten Felsenhügel wurden vereinzelt Feuersteine und Picknickreste aus der Jungsteinzeit gefunden, daneben drei Tonscherben aus der Bronzezeit, ein kiloschwerer Bronzefladen und der abgebrochene Griff eines keltischen Rasiermessers.



Mittelalterliche Funde nahe des höchsten Punktes könnten von einer holzbewehrten Fliehburg stammen. An der Südseite fanden Andrist&Co, die Ausgräber von Schnureloch und Ranggiloch, drei sogenannte Steinkistengräber.

Zuunterst im Anneriedli wurde während längerer Zeit ein Kalkofen betrieben. Ein Eintrag im Summungsbuchbuch von 1558 weist indirekt darauf hin. Nach den Spuren zu schliessen wurde ein ganzer Felskopf abgetragen und zu Kalkmörtel gebrannt.

Zuunterst im Grunholzblatti finden sich auf einer Arbeitsplattform Spuren eines Kohlenmeilers. Ebenfalls von Grunholz stammen etwa 80 Hufeisen, das älteste davon aus dem 12. Jh.

Im Studewald, hart an der Kante der steil abfallenden Felsen, ist ein dürftiges Gebäudefundament erhalten. Peter Mosimann erwähnt im Boltigbuch ein Häuslein auf den Studi, das dem Armengut gehörte.

Ein solide gefügtes Gebäudefundament wurde beim Entfernen von vermeintlichen Feldsteinen am Waldrand in der unteren Matte, dem früheren Kromengut, entdeckt. Nach indirekten Hinweisen zu schliessen stand dort ein Wohnhaus.

Von Kaiserin Adelheid bis zu den Herrschaftshühnern

Als Kaiserin Adelheid, Grossmutter von Otto dem dritten, dem ersten Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, sich im Jahr 996 aus den Regierungsgeschäften zurückzog, schnürte sie ihre Liegenschaften in Wimmis und Umgebung zu einem Paket, den sog. Adelheid-Gütern, und vermachte diese dem Kloster Sels im Elsass. Im Jahr 1276 wurden diese Güter an das Priorat Tarnschatten verkauft. In der Liste der Liegenschaften findet sich auch "Adlamsried".

Geschichtsschreibung handelt meist von den Schönen, Reichen und Mächtigen. Das Schicksal der Landleute wird höchstens im allgemeinen Teil behandelt. In Dokumenten ab dem 14. Jahrhundert erfährt man noch nicht viel über deren Lebensweise, aber immerhin werden in Verträgen und Urbarien einige Namen greifbar.

Als die Herrschaft Simmenegg im Jahr 1391, also hundert Jahre nach dem Rüttlischwur, an die Stadt Bern verkauft wurde, gehörten dazu unter Anderem die Dörfer Eychi (heute: Eichstalden), Taubental und Adlemsried. Die Landleute hatten den Status von freien Zinsleuten. Namentlich erwähnt werden aber sechs Unfreie, die vermutlich das Personal der Burg Simmenegg darstellten: Peter der Knabe, Nicl der Knabe, Jennig chüntzen tochter, Thoni eschers, zBuri Weschers und Jenni an der Matten. Dazu kamen noch Namen von Leuten, die den Zins aus unbekannten Gründen nur jedes zweite Jahr bezahlen mussten: Clewi der fröwen, Nicli von Wissenbach, Ruf Ysenhut, Heini Gyttsch und Hensli Rufis.

Im Urbar von 1488 waren Adlemsried, Eichstalden und Taubental bereits zur Bäuert Adlemsried zusammengefasst. Das Verzeichnis der zinspflichtigen Liegenschaften enthält folgende Namen: Michel Andrest, Jacob Büller, Burkhart Müller, Hensli Bunscher, Hensli Stoner, Joder Spilman, Petter Willis, Hensli von Dubental, Die Gebürd von Adlamsried, Stefan Escher, Elsi Tubentalina, Dichtli Dubental, Schteffan Striffeler, Peter Baumgarten, Anchio Knöris, Petter Ochart, Heini Jagi, Die Kilch von Boltingen, Jost Schrodel, Thomi Escher, Petter Hentz.

Dann waren da noch die Herrschaftshühner: Jede Hofstätte musste als Ehrschatz an die Herrschaft jährlich ein Huhn entrichten. Im Jahr 1488 wurden folgende Hühnerpflichtige aufgelistet: Hensi Stoner, Petter Baumgarten, Thoni Eschers, Petter Ulis, Heini Jaggis, Frederettich, Burkhart Müller, Petter Ochart, Elsi Petters und Anthio Knöris. Sie brachten es zusammen auf 16 Hofstätte.

Die Herrschaftshühner flossen später als Geldbetrag in den Herrschaftszins ein, den der Bäuertvogt jedes Jahr persönlich auf Schloss Blankenburg zu begleichen hatte. Als sich die Bäuert Adlemsried im Jahr 1845 vom Herrschaftszins freikaufte, wurden die 16 Hühner als Bestandteil des kapitalisierten Zinses immer noch mit eingerechnet.

Der Ziegenstreit

Die Folgen von Kriegswirren und Pestzügen des 14. Jahrhunderts waren endlich überwunden und die Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit überschritten. Das Oberland fand Anschluss an die Märkte.

Die Grossvieh- und Pferdezucht befand sich im Aufschwung, als das älteste erhaltene Dokument von Adlemsried im sogenannten Pürtströgli, einer kleinen hölzernen Truhe, abgelegt wurde. Zwischen den Leuten von Adlemsried und Eichstalden und den Besitzern des inneren und äusseren Buufals war Streit ausgebrochen. Schon vor Jahren hatte man ihnen verboten, auf dem Weg an den Walop mit den Bäuertziegen durch den Buufal zu ziehen und dies auch ordentlich in der Kirche bekanntgegeben. Die Adlemsrieder ignorierten jedoch dieses Verbot mit der Begründung, bei schlechtem Wetter sei die alternative Route über Nüschletten zu gefährlich für die Hütekinder, und ausserdem sei es bei einem Gewitter unmöglich, die Ziegen auf dem Rückweg über den Kalberpfad zu treiben.

Bei der Schlichtungsverhandlung am zehnten Dezember 1537 einigte man sich darauf, dass der Weg über Nüschletten genommen werden musste. Bei drohenden Gewittern durfte man aber durchs Buufaltal fahren.

Spruchleute bei dieser Verhandlung waren die Statthalter von Ober- und Niedersimmental Petter Ubertt und Ambrosy Imhoff, Landesvenner Mattheus Hasen, Altvenner Ruff Eggen und Seckelmeister Heinny Flogertzy. Kläger im Namen der Antheiler des Buufal waren Antthio uffem Ried und Petter syn Bruder.

Die Allmendordnung

Im Jahr 1558 machte man sich in Adlemsried daran, auf der Allmend Ordnung zu schaffen. Vermutlich waren jahrelange Auseinandersetzungen vorausgegangen und es war an der Zeit, die Allmendangelegenheiten ein für alle Mal zu regeln.
Zunächst wurde ein Ausschuss bestimmt. Von Adlemsried und Eichstalden waren das Michell im Oberstäg, Hans Escher, Michel Brötgy, Stäffe Büller, Jör Schletty und Hans Tschurry. Dazu kamen drei unparteiische aus der Bäuert Schwarzenmatt: Christe Ziggrist, Hans Karllen und Petter Bratschy. Diese hatten nun den Auftrag, für das Summungsbuch die Landflächen festzulegen und zu definieren, die von nun an für den Besatz auf der Allmend massgebend sein sollten.
Als Masseinheiten verwendete man die Jucharte (die Fläche, die ein Gespann in einem Tag pflügt) und das Mannsmahd (die Fläche, die ein Mann an einem Tag mäht). Dabei entsprach die Jucharte einem Kuhrecht, ebenso ein gutes Mannsmahd. Dagegen brauchte es zwei mittlere oder drei schlechte Mannsmähder für ein Kuhrecht.

Diese Normen wurden sicher nicht in Adlemsried geschaffen, sondern entsprachen Obersimmentalischem Landrecht. Ortsspezifisch musste die Anwendung dieser Normen mit der Ertragsfähigkeit der Allmend in Einklang gebracht werden. Diese Anpassungen führten dazu, dass in Adlemsried heute im Frühjahr zwar die ganze Ansprache, im Sommer aber bloss ein Viertel und im Herbst die halben Kuhrechte geltend gemacht werden können. Ausserdem konnte die Anzahl Füsse variiert werden, die für das Besetzen einer Kuh erforderlich war.

Der Umstand, dass die Summung aus dem Jahr 1558 bis heute stur beibehalten wurde, führte zu einem Kuriosum: Als man von der Oberländer Jucharte auf die Berner Jucharte umstellte, wollte die Rechnung vorerst nicht mehr aufgehen. Deshalb führte man nebst den üblichen Masseinheiten "Rindersweid", "Fuss" und "Zehe" das "Klafter" ein, das dem achthundertzweiunddreissigsten Teil eines Kuhrechtes entspricht.

Man könnte annehmen, dass die Jucharten den damaligen Ackerflächen entsprachen. Dem ist aber nicht so. In diesem ersten Summungsbuch gelten Jucharten genauso wie Mannsmähder als Futterbasis für die Winterung. Bei den in Jucharten gemessenen Flächen handelte es sich um gut gelegenes, ertragreiches Land, was nicht bedeuten muss, dass es tatsächlich unter dem Pflug war. In späteren Summungsbüchern werden solche Flächen auch als gebautes oder bebautes Land bezeichnet. Bis heute wird der Hofdünger auch "Bau" genannt: Es wird nicht der Mist ausgebracht, sondern der Bau.

In der Einleitung zum Summungsbuch die Bewirtschaftung der Allmend geregelt. Die Abteilung Grunholz wird darin als Rinder- und Pferdeweide definiert, während Kühe und junge Kälber auf Ramsern gebracht wurden. Die Ziegen hatten die Kuhweide zu verschonen und wurden in den Flühen und Ritzen geweidet, mit dem Hinweis, dass dies schon immer so gewesen sei. Die Schafe sollte man im Frühjahr "in die Fluh" tun. Damit sind mit Sicherheit die Schafflühe gemeint: Ältere Leute aus Taubental erinnern sich noch, gehört zu haben, dass es in den sogenannten Trögleni, einem heute bewaldeten Lawinenzug unterhalb Nüschletten, Pferche gab. Die Einfriedung dieser Schafweide war im 19. Jahrhundert ein Streitpunkt, als mit dem Staat das Eigentum am Wald verhandelt wurde.

Der Bäuertwald und der Staat

Der Zustand der Wälder im ausgehenden 18. Jh war schlecht. Ein tatsächlicher Holzmangel ist zwar nicht nachgewiesen, aber die Sorge wuchs, dass der Holzbedarf der wachsenden Agglomerationen und der Industrie nicht mehr gedeckt werden konnte. Hochwasser, Erdrutsche und Lawinen brachten die Schutzfunktion des Waldes in den Fokus der Gesellschaft. Im Landrecht wurde die Holznutzung reglementiert, aber eine wirkungsvolle Kontrolle fehlte. Unter diesen Bedingungen begann sich die Bernische Regierung mit den Bäuertwäldern zu befassen.
In erster Linie ging es darum, die Eigentumsverhältnisse zu klären: Die Bäuertleute sahen den Wald als ihr Eigentum an, obschon entsprechende Urkunden fehlten. Für die Bernische Regierung war dieser hingegen "Obrigkeitlicher Wald, in dem die Bäuerten sich beholzen". Die Auflösung des Gordischen Knotens sah etwa so aus: Der Staat bekam einen Teil des Waldes, während der Grossteil desselben zum freien Eigentum der Bäuertgemeinden erklärt wurde. Diese Abmachungen wurden in den sogenannten Kantonnementsverträgen festgehalten und musste mit jeder Bäuert oder Alpgenossenschaft einzeln verhandelt werden. Bäuerten, die darin einen Vorteil sahen, willigten schon bald in die Verträge ein. Nicht so die Bäuertgemeinde Adlemsried. Die Verhandlungen schleppten sich endlos dahin und kamen nie zum Abschluss.

1809 wurde der Bäuert ein erster Vorschlag unterbreitet: Der Wald unterhalb der Mittagsfluh zwischen dem Tröglilaas und dem Ramserenweg sollte an den Staat abgetreten werden. Strittig war nebst der genauen Abgrenzung des zu schaffenden Staatswaldes dessen Einfriedung mit Steinmauern, die Lieferungen von Salpeterholz und Holzlieferungen an die Pfrund ebenso wie der Herrschaftszins, den die Bäuert im Gegenzug gern losgeworden wäre.

1818 gab es einen erneuten Versuch, die ins Stocken geratenen Verhandlungen wieder anzustossen. Oberamtmann Bürki beschrieb das Waldstück als nur dünn bestockt und die Transportverhältnisse als schwierig, was aber nach seiner Meinung auf den ganzen Adlemsriedwald zutraf. Oberförster v. Tavel empfahl, einen gemachten Vorschlag der Bäuert zu akzeptieren, weil da nicht viel mehr zu holen wäre.

1830 erging eine Mahnung an die Bäuert, innerhalb von 14 Tagen zum Kantonnieren grundsätzlich Stellung zu nehmen. Die Frist konnte jedoch nicht eingehalten werden, weil grad Sommer war und man wegen der Abwesenheit der Alpleute keine Versammlung abhalten konnte.

1838 reichte die Bäuert ein Gesuch um Bewilligung eines Holzschlages im Grunholzblatti und eine Exportbewilligung ins Niedersimmental ein. Als der Oberförster Nachschau hielt, war das Holz jedoch bereits aufgerüstet und bereit für den Abtransport. Der Regierungsrat betrachtete dies als Frevel am obrigkeitlichen Wald, verordnete die Beschlagnahmung des Holzes und sprach eine Busse aus. So nebenbei fragte man bei der Bäuert nach, wie man es denn nun mit dem Kantonnementsvertrag halte?
In einer Bittschrift der Adlemsrieder begründete man den Holzschlag mit der notwendigen Finanzierung eines Schattstalles, was ja auch dem Wald zugute käme, weil das Vieh dann tagsüber eingestallt werden könne und nicht im Wald vor Fliegen und Bremsen Schutz suchen müsse. Man möge doch bitte davon absehen, das geschlagene Holz zu konfiszieren. Was die Eigentumsverhältnisse des Waldes anging, bestritt man nun offen die Ansprüche des Staates und bot an, den Gerichtsweg zu beschreiten. Der Regierungsrat verzichtete darauf, das Holz zu beschlagnahme und nach einer weiteren Bittschrift erliess er auch die Busse. Der Besitzanspruch des Staates am Bäuertwald blieb jedoch bestehen, aber das Interesse an dem Waldstück unter der Mittagsfluh liess vermutlich stark nach, als um 1845 ein mächtiger Felssturz einen Teil davon zerstörte.

Als der Regierungsrat das Bäuertreglement 12 Jahre nach dessen Errichtung im Jahr 1866 endlich genehmigte, tat er dies unter Vorbehalt der obrigkeitlichen Ansprüche. Aber inzwischen hatten sich die Zeiten geändert. Der Staat war dazu übergegangen, Pfrundgüter und Staatswälder teilweise wieder zu veräussern. Mit dem Forstgesetz von 1876 schliesslich wurde die Einflussnahme des Staates auf die Bewirtschaftung der Wälder gesichert und eine flächendeckende Kontrolle ermöglicht.
Der Realsatire um den Trögliwald ist noch eine weitere komische Note hinzuzufügen: Das Gebiet ist heute Waldreservat und damit für 50 Jahre der Nutzung entzogen. Die Entschädigung, die die Bäuert vom Staat erhielt, stellte wohl den ersten namhaften Ertrag aus diesem unzugänglichen steilen Waldstück dar.

Der Brief von 1833

In der Folge der napoleonischen Kriege wurde am Wienerkongress die europäische Staatenlandschaft neu geordnet und das lose Staatenkonglomerat, das die Schweiz bisher darstellt hatte, wurde in zähem Ringen um territoriale Ansprüche an Untertanengebieten schliesslich zum Bundesstaat befördert. Die Privilegien der Patrizier, der ehemals Gnädigen Herren und Burger der Stadt Bern waren hinfällig, vor dem Gesetz waren nun alle gleich und die Gemeindegesetzgebung trug die neue Ordnung bis in die hintersten Talschaften.

In den Bäuerten, die gestützt auf das Obersimmentalische Landrecht weiterhin nach den alten Bräuchen und Uebungen funktionierten, begann es zu brodeln. Landlose Neuzuzüger forderten ihren Anteil an Wald und Allmenden, während die Alteingesessenen ihre Privilegien, die in den Summungsbüchern festgeschrieben waren, hartnäckig verteidigten. Die Auseinandersetzungen wurden zum Teil mit harten Bandagen geführt.

Zu einer eigentlichen Revolte gegen die alte Ordnung kam es in der Bäuert Eschi mit einem Versuch, die Summungsbücher abzuschaffen und die dinglichen Rechte in persönliche Rechte der Einwohner umzuwandeln. Um das Vorhaben durchzubringen, wurden Landbesitzer, die nicht in Eschi wohnhaft waren, zum Vornherein ausgeschlossen: Die Abstimmung wurde schriftlich durchgeführt, in dem man von Haus zu Haus ging und Unterschriften sammelte. Leute, denen nach dem neuen Reglement kein Stimmrecht mehr zukommen sollte, wurden dabei geflissentlich übergangen. Der Bäuertvogt, dem das alles nicht geheuer war, beschloss, sich da herauszuhalten und erteilte dem Bäuertsekretär eine Vollmacht, so dass dieser an den Versammlungen in einer Doppelfunktion als Vorsitzender und als Sekretär agierte.
Der Regierungsrat war schlecht informiert, als er das so entstandene Reglement genehmigte und musste die Sanktion desselben umgehend wieder rückgängig machen, als ihm die Unstimmigkeiten zu Ohren kamen. Es gab anschliessend zu einer amtlichen Untersuchung der Vorfälle, wobei Statthalter Hutzli sich als Landbesitzer in Eschi als befangen erklärte und die Verhöre nicht selber führen wollte.

Auch in Adlemsried kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Armen und Begüterten. Über deren Inhalt gibt im Wesentlichen ein Brief aus dem Jahr 1833 Auskunft, der im Staatsarchiv erhalten ist und in dem die sog. Begüterten zu einer Bittschrift der Armen Stellung bezogen. Dieser Brief ist ein eigentliches Lehrstück, was die Art der Argumentation der verschiedenen sozialen Klassen angeht und wie die rechtlichen Aspekte interpretiert wurden und sei darum hier in gekürzter Form wiedergegeben:

Datum: 18. 5. 1833, Staatsarchiv: Sign. St.A.B. BB XIII b 92601 A

...Gesuch der armen Bäuertburger von Adlemsried an das Departement des Inneren, Gegendarstellung der Bäuert Ehrerbietige Gegenbemerkungen von den begüterten Bäurts-Burgern von Adlemsried...

...Auf die, von der ärmeren Classe der Bäuerts-burger von Adlemsried Gemeinde Boltigen, wegen geglaubter Zurücksetzung und daherigen Reklamationen, in Hinsicht von Benutzung der dasigen Allmenden und Gemeinweiden, durch eine sobetittelte ehrerbietige Bittschrift vom 15ten März lezthin, der hohen Regierung der Republik Bern vorgetragenen Beschwerden ...

...Wenn gleich im Anfang ihrer, die Dupplikanten, durch das aufgeklärte Organ ihres bekannten wortgeberischen Schriftstellers, einen Blick in die graue Vorzeit zurück werfen, und gleichsam septsweise, gründlich zu erzeigen suchen, wie Adlemsried durch einen Vertrag vom 20ten März 1391 von Rudolf von Aarburg, mit Land und Leuten, eigenthumlich an die damalige Regierung von Bern gekommen von derselben -unter Aufhebung der Leibeigenschaft- den daortigen Bewohnern, die Behausungen, Gärten und Matten zum Eigenthum- die Gemeinweiden, Berge und Wälder, aber gegen Entrichtung eines kleinen Herrschafts-Zinses, zur Benutzung überlassen worden seye- so haben dieselben dagegen, viellleicht aus Unkunde, einen sehr unzuverlässigen fehlerhaften Bericht, über die nachherige Benutzungs- und Behandlungs- Weise, der fraglichen Geländten dargestellt- dass also hier, eine vorläufige nähere Erläuterung, über diesen wichtigen Gegenstand, am rechten Ort sein dürfte. Nachdeme die hohe landesväterliche Regierung, wie hievor richtig angegeben, im Jahr 1391 der Bäuert Adlemsried, die daselbst befindlichen Berg- und Allmend- Geländte- grossgütigst überlassen hat, wurden solche Jahrhunderte hindurch, auf folgende Weise benuzet: dass nämlich jeder dasige Bäuerts- Genosse, diejenige Viehwar, welche er von dem, auf seinen Liegenschaften, in der Bäuert, gewachsenen Futter wintern konnte, auch ungehindert auf dasigen Geländten, das uneingeschränkte Recht zu sömmern hatte, wo also schon danzumal, der arme güterlose Bäuerts- Bewohner, von der Benutzung dieser Berg- und Allmend- Geländten, gänzlich ausgeschlossen war. Die, in dieser Benutzungs- Art eingeschlichenen Missbräuche veranlassten, zwischen dasigen Nuzniessern, öfters Zwiespalt und Streitigkeiten- bis sie endlich freundschaftlich dahin übereinkamen, zu Ausweichung daortig fernere Unbeliebigkeiten, die sämtlichen Liegenschaften, innert der Marchen dieser Bäuert, zu vermessen und die dasigen Berg- und Allmend- Geländte, verhältnissmässig darauf einzutheilen und zu summieren, welches durch ein, schon Anno 1558 80 errichtetes und im Bäuert- Archiv zu Adlemsried befindliches Summungsbuch, erwiesen werden kann;- ...

...Nach dieser Berg- und Allmend- Vertheilung, also während einem langen Zeitraum, wurden diese Gelände auf solche Weise genuzet und die Grundeigenthums- Besitzer in dieser Bäuert, blieben, bis in gegenwärtigen Zeiten, unangetastet, in dem ruhigen Genuss, ihrer daherigen auf die Güter summierten Ansprachen; Bey jeder erfolgten Handänderung, wurden, wie offenkundig, von dem Verkäufer dem Käufer immerhin die, auf den verkaufenden Grundstücken summierten Geländten als Bestandtheil derselben /: öfters spezifizierlich:/ angegebenen und jederzeit berechneter Massen, als der sechste Theil der Güterpreise erachtet und in Anschlag gebracht - ...

...Schon in ihrem ersten Beschwerdungs- Grund, stellen die Petenten, das wichtige und sehr komische Verhältniss auf: Dass 12. Armen Familien-Väter schon jetzt zusammen 40. Kinder erzeuget haben, und darzu -nachAbrechnung eines geringen Antheils an elenden Wohnungen- gar kein Vermögen besitzen u. während hingegen 14 Bürgerliche Familien der bessern Classe nun 13. Kinder haben, und ihre Pflanzungen, Matten, Eigen-Weiden, summierten Allmenden und Wälder, in Anbindung mit einigen wenigen Einsassen selbst benuzen- u. Da in diesem Sache, die Supplikanten in Betreff ihrer thätigen und sehr Folgereichen Kinderzeugung, ihren … durch keine Anzüglichkeiten zu nahe getretten sind, sondern wie es scheint, daherige Schuld selbst tragen und dieselben bloss wegen ihrem glücklichern Zustand beneiden wollen- so wird über diese, freylich sehr fehlerhafte Familien- Berechnung, nicht eingetretten- dagegen aber bemerkt: Dass bloss 5. Arme Familien in der Bäuert Adlemsried seyen, die kein Grundeigenthum haben, ...

...Zum Verwundern ist`s, wie die Supplikanten in dersweyten Stelle ihrer Bittschrift, ein grässliches Gemälde von dem Mangel und Elend womit sie und die Ihren zu kämpfen haben, dem Leser vor Augen stellen!! - dass man sich nur dann einigen schwachen Begriff davon machen könne, sagen sie - wenn man bedenke, dass Adlemsried ein armer Bergort- wo nichts zu verdienen seye,- Dass die begüterte Classe sich im Besize des dasigen Grund- Eigenthums befinde, auch die eigentlich dem Staate angehörigen summierten Geländte unrechtmässig an sich gezogen haben, dass jeder begüterte 4. Bis 10. Ziegen unter den Hirt treiben könne, wo hingegen den Armen nur 2. Bis 4. bloss aus Knochen, auf die Weide treiben dürfe- dass ihnen kaum, das nöthige Holz aus den GemeinWäldern zu erheben bewilliget, und bloss 50. Klafter steiniges Land zum Anpflanzen in den Stauden verzeigt werde. u. Hier möchten sich die Petenten wohl ein wenig vergriffen und eine Zurechtweisung verdient haben. 81 Dass die Supplikanten nicht immer im Überfluss leben können, ist sehr natürlich;- Dass aber ein guter Arbeiter, wenn schon nicht in Adlemsried selbst, doch in der nahen Umgebung, gegehrenden Falls, Arbeit und Verdienst genug findet, ist hingegen gewiss, -noch richtiger scheint aber der Umstand, dass die Begüterten, ihr zum Theil von den Supplikanten selbst erkauftes Eigenthum daselbst, unbstallen, damit erworbenen Zubehörden, worunter namentlich die summierte Allmend begriffen ist, auf eine rechtmässige Weise besizen und ihnen zu keinen Zeiten streitig gemacht werden könne, dass mithin die auf die Güter summierten Allmenden, nicht wie vorbemerkt, Staatsgut- sondern ihm bloss das Eigenthum seyen,- dass ferners denselben ebenfalls das gleiche Recht, wie den Begüterten eingeräumt seye, nicht nur Ziegen, sondern auch eine sogenannte Heimkuh auf die dasigen Geländte treiben zu dürfen, dass ohne Ausnahme allen Haushaltungen ein dieser Bäuert, gleich Holz ausgetheilt und verzeigt werde,. dass denselben nicht nur 50 Klafter steiniges Land angewiesen werde, sondern dass das ihnen in verschiedenen Bezirken zum Anpflanzen untergebene Land, ohne durch ein Vergrösserungsglas betrachtet, wenigstens 600 a 800 achtschühige Klafter betragen, dass noch an der lezten Bäuerts- Gemeinde, diesen Frühling, jedem zum Anpflanzen verzeigt worden, was er gefordert habe, umd dass endlich die Noth und das Elend unter dieser ärmeren Class nicht so gross seyen, dürfte durch den Umstand erwiesen werden, dass einer von den ärmsten unter ihnen, der Bittsteller Juzeler selbst,- noch im letzten Jahr, für circa L:100.- Erdäpfel verkauft haben solle, und zudem verschiedene von denselben aus dem Armengut Boltigen noch ziemlich stark besteuert werden.- ...

...allein die vieljährige Erfahrung hat erzeigt, dass die ärmere Classe im Durchschnitt zu träg und nachlässig ist, für ihre Saaten und Pflanzungen behörend zu besorgen und zu bearbeiten; An steilen Orten wird die Erde durch das Anpflanzen immer auf die untere Seite gewälzt, und die, freylich mühevolle Hinauftransportierung derselben, der arbeitsamere Nachwelt, getrost überlassen, auch wird der Boden, weder gebauen noch gedüngt, sondern bloss alljährlich die lockere Erde auf Häufen gescharrt und zu Pulver gebrennt, ...

...Der Grund warum die Erdäpfel in ihren Pflanzungen nicht zur behörigen Zeitigung kommen mögen, hatten die Petenten nicht dem Abfang der Sonnenwärme, sondern ihrer Nachlässigkeit selbst zuschreiben sollen, indem sie dieselben gewöhnlich erst im Brachmonat sezen, und schon im Heumonat und Augstmonat wieder herausgraben. Unbegreiflich ists, dass die Supplikanten, als Rechtfertigungs - Grund ihrer frechen Bitte, sich auf eine, in den Nachbar- Bäuerten, Weissenbach und Eschi, erfolgte ähnliche Untersuchung, und das daherige Ergebniss, so wie auf daortige, noch mit der leztabgetrettenen Regierung geschlossene Cantonements- Verträgen- berufen und mit Zuverlässigkeit behaupten, dass bey diesen Verhandlungen die summierten Allmenden so wie die Wälder allgemeines Staatsgut geblieben.- und die darüber ohne Vorwissen und Genehmigung der hohen Regierung gemachten Summungen als nicht ergangen anzusehen seyen, auch dass die Begüterten in diesen Bäuerten die ärmere Classe an den Gemeinweiden habe theilnehmen lassen müssen!!! Aus welcher Quelle werden die unglücklichen Supplikanten diese ihre Schuzbehauptung geschöpft haben? Wie und wo mögen dieselben in dieses labyrinthische Hirngespinst verwikelt worden seyn? Dürften sie vielleicht, durch Vorspiegelungen, wie ihre daher zu bedauernden - Vorgänger zu Weissenbach und Eschi, bloss von dem Idealismus eines und des nämlichen ratgeberischen Schriftstellers geblendet worden seyn!!! ...

...Die allfällig in diesen 2. Nachbar- Bäuerten Weissenbach und Eschi erfolgten Ausänderungen in Hinsicht von Benuzungen sind also keineswegs Zwang, oder wie Petenten sich ausgedrükt haben, dass sie es haben thun müssen, sondern bloss aus gutem Willen der Begüterten, und zwar erst nach Erlöschung der Prozesssucht, bey der ärmeren Classe - geschehen. Man braucht also weder Philosophie noch Mathematik, sondern bloss gesunden MenschenVerstand zu besizen -- um bey dem ersten prüfenden Ueberblike, richtig erkennen und berechnen zu können, wie grundlos, und man darauf wohl sagen - ungerecht dieses Gesuch, der Petenten seye - denn es ist eine klare selbstsprechende Sache, dass den Grundeigenthums- Besizern der bemelten Bäuert Adlemsried ihre Summungen, als wohlerworbenes und gerichtlich zugefertigtes Eigenthum, nicht wohl entsagen und wieder als Gemeinweiden vertheilt werden können.-- ...

...Uebrigens finden die Armen in hiesiger Bäuert so gut Unterstüzung als an vielen andere Orten; wenn dieselben sich auf einen, der wahren Armuth gemässe Weise dafür bewerben; und auch diessmal würde man ihr drükendes Schiksal, so viel möglich zu erleichtern gesucht haben, wenn sie sich hiebey anders benohmen und nicht mit ihrem vermeinten Recht, das jenige hätten ertrozen wollen ...

...Sollte es endlich aber, gegen die begründteste Vermuthung, denen Bittstellern hiermit nicht genügen, so erklärt man sich hierseits zum Kampfe für diese gerechte Sache, auf dem Felde des Rechts, bereit - und erwartet indessen getrost, der Dinge die da kommen werden. Mit Hochachtung verharrend!

Adlemsried den 18ten May 1833

Ns. der begüterten Bäuerts - Burgern von Adlemsrie, ihre hiezu Beauftragten
David Teüscher Alme Vogt Christen Teüscher Bäuert Vogt



Nach oben


© Ulrich Erb, Adlemsried 94, 3766 Boltigen Tel: 033 773 61 91 e-mail:ulrich.erb@gmx.ch